Die Zeit vergeht, die Leidenschaft bleibt

Mittlerweile ist ein gutes Jahrzehnt vergangen seit wir uns den ersten Oldtimer zugelegt haben. In dieser Zeit haben wir fast 100.000km mit unseren Autos absolviert, an zahlreichen Veranstaltungen teilgenommen und selbst eine recht große Rallye auf die Beine gestellt. Wenn sich auch manches in unserem Zugang zum Hobby der Oldtimerei verändert hat, geblieben ist unsere Begeisterung für die Vielfalt an Fahrzeugen, die von Liebhabern und Enthusiasten gepflegt und vor allem gefahren werden. Dabei möchten wir nicht jedes alte Auto, das uns gefällt, auch gerne selbst haben. Manche sind uns zu kapriziös, andere zu exotisch und viele inzwischen ohnehin gar nicht mehr erschwinglich. Aber dann kommt mitunter doch der Moment wo der Will-haben-Faktor auf 'unbedingt' hochschnellt. Der Blick auf die Preisschilder der entsprechenden Objekte bedingt jedoch ziemlich häufig ein Down Rating auf 'nein, doch nicht', was das Interesse am jeweiligen Fahrzeug aber nicht notwendigerweise schmälert. In solch einem Fall ist Kreativität gefragt.

Die Nadel im Hauhaufen

Im Gegensatz zu unseren bisherigen Einkäufen fehlte diesmal der programmatische Zugang völlig. Keine Rede von Ergänzungen im Portfolio, keine Kindheitserinnerung, nicht einmal eine Geburtsjahrgangsmelancholie. Die ebenso banale wie wirkungsvolle Triebfeder war schlicht die umwerfende Optik des Autos, der Ikonen-Status und eine Probefahrt auf einer Oldtimerveranstaltung: wir wollen eine Corvette C1.

Wie immer haben unsere Parameter für die Suche die Komplexität noch zusätzlich erhöht. Es muss einfach die mit den Doppelscheinwerfern sein, also aus den Baujahren 58-62, wobei uns das runde Heck der früheren Modelle deutlich besser gefällt als das ab 1961 montierte Bootsheck. Bleiben also die Baujahre 58-60, aus denen für uns der Modelljahrgang 58 mit den völlig sinnbefreiten Lüftungsattrappen auf der Motorhaube und den stilistisch genialen Chromleisten am Kofferraumdeckel hervorsticht. Soweit zum Baujahr. Die Farbe spielte bei der Suche insofern eine große Rolle, als die Standardkombination Rot mit weißen Sicken hinter den vorderen Kotflügeln unserem Geschmack wenig entspricht. Die Zweifarbenlackierung war allerdings ein Muss und das ganze bitte in Blau-Weiß mit blauer Innenausstattung. Ein 4-Gang Schalter war ebenso Bedingung wie 2 Dächer (Hard- und Softtop) und weitgehende Originalität, also keine 350er Motoren, Rennfahrwerke mit Breitreifen oder Ähnliches.

Oh ja, diese Dinger sind inzwischen richtig teuer und besonders viele werden zumindest in Europa aktuell auch nicht gehandelt. Bleibt, was die erwähnte Kreativität betrifft, in erster Linie die Suche auf dem Heimatmarkt in den USA. Dort ist das Angebot zwar größer, allerdings wandern die meisten guten Stücke geradewegs zu den Auktionen und die wollten wir uns definitiv nicht antun. Die Bastelbuden-Alternative ist für uns aus mehreren Gründen ausgeschieden: erstens werden oft auch in den USA für Halbleichen absurde Preise aufgerufen und zweitens fehlen uns für eine solide Restauration alle drei nötigen Voraussetzungen: Lust, Geschick und Geduld. Letzteres hat es schließlich allerdings auch für die Suche nach einem ordentlichen Fahrzeug in den USA gebraucht. Nach etwa einem Jahr haben wir eine privat zum Verkauf angebotene Corvette in unserer Wunschspezifikation in Northern Michigan gefunden. Weil wir den Weg an die kanadische Grenze nur ungern ohne vorherige Expertenmeinung antreten wollten, haben wir zunächst einen Gutachter aus Detroit engagiert, der sich das Fahrzeug angesehen hat und Probe gefahren ist. Nach seinem OK bin ich dann rüber, hab mir das Ding angesehen und gekauft.

Speed kills

So ein Kaufvertrag ist im Grunde schnell unterzeichnet. Bei der Corvette war da aber noch die Sache mit den Dächern. Die Montageösen und -klammern für das Softtop waren vollständig am Fahrzeug vorhanden, das Dach selbst jedoch nicht. An sich kein Problem, denn auch in Northern Michigan gibt es Oldtimerwerkstätten und die werden doch ein Gestell für ein Softtop beschaffen, montieren und mit Stoff beziehen können. Ja, können sie. Allerdings wird die Sache dann etwas kompliziert, wenn gleichzeitig auch das Hardtop restauriert werden muss. Das Ding war nämlich in eher bescheidenem Zustand, aber immerhin das Original von 1958. So was lässt man nicht einfach zurück, das wird hergerichtet und zwar fix. Zunächst hatten sich die Jungs von besagter Werkstätte das auch tatsächlich zugetraut, zwei Wochen nach dem Kauf sah die Welt dann so aus: Corvette Hardtops sind schwierig zu restaurieren, weshalb sich auch kaum wer drüber traut - auch nicht die Werkstatt meiner Wahl. Ein paar Tage und Anrufe später war ich um einiges schlauer. Es gibt in den USA genau eine Adresse für restaurationsbedürftige C1-Hardtops und zwar Glassworks in Pennsylvania. Diese Firma ist ausschließlich auf die Sanierung von Corvette Hardtops spezialisiert, genießt in den USA einen hervorragenden Ruf. Das führt allerdings dazu, dass das Glassworks-Team auf mehr als ein Jahr im Vorhinein ausgebucht ist. - Ooops!

Ich hatte also eine Corvette in den USA und die Wahl: sie bleibt voraussichtlich für die nächsten 18 Monate drüben oder sie kommt herüber und das Hardtop kommt später nach. Ich habe mich für die erste Variante entschieden. Mit gutem Zureden aus Good old Europe ging es dann zwar etwas schneller voran, als das Dach dann aber zurück in Michigan war gab's die nächste Überraschung: die Ankerlöcher für das Dach passten nicht zu der Position der Hardtop-Bolzen, die bei der Restauration offenbar 'genormt' wurden. Bei der Fertigung 1958 nahm man das offenbar weniger genau, da wurden die Löcher scheinbar einfach dort gebohrt wo die Bolzen des jeweiligen Hardtops waren. Mit entsprechender Fertigungstoleranz bei den Dächern ergab das für unser Auto satte 5cm Abweichung zur neuen Bolzenposition by Glassworks. Also, Löcher schließen, neue Löcher bohren, Heckdeckel neu lackieren, Fenster an das restaurierte Hardtop anpassen, dann das Stoffdach an die neue Fensterstellung anpassen.

Ende gut, alles gut

Irgendwann war dann aber alles fertig, das Auto wurde per LKW nach New York gebracht und mit dem Schiff auf große Reise nach Bremerhaven geschickt. Einfuhr und Zoll waren unproblematisch, auch der Transport vor die Tür klappte bestens. Die Behörde war zwar von den Abgaswerten zunächst wenig begeistert, eine Nachjustierung der Zündung samt ein paar Kilometern etwas energischerer Fahrt brachten aber die nötige Abhilfe, sodass die Corvette mittlerweile offiziell angemeldet ist.

Eine große Ausfahrt ist sich vor dem ersten Winter noch ausgegangen und die war Weltklasse. Mit der Corvette unterwegs zu sein ist ein unbeschreibliches Gefühl. Der reine Zweisitzer mit vollversenktem Dach macht einfach richtig was her - für die Insassen und die Leute am Straßenrand. Phantastisch!

Ein paar Bilder von unserer Corvette finden sich hier.